Skip to main content

2013

Klicken oder nicht? Fotografen zittern nach Gerichtsurteil,Die Presse 09.04.2013

Klicken oder nicht? Fotografen zittern nach Gerichtsurteil

09.04.2013 | 18:28 | EVA WINROITHER UND PHILIPP AICHINGER (Die Presse)

Nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs darf man in der Öffentlichkeit nicht mehr ungefragt fotografieren. Doch was bedeutet das für die Fotografenbranche?

Unter Österreichs Fotografen herrscht derzeit Verwirrung, Unsicherheit und ziemlich großer Ärger. Eine „Horrorentscheidung“ nannte der Wiener Innungsmeister für Berufsfotografie Michael Weinwurm das aktuelle Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH). „Da haben die Richter nicht nachgedacht, was sie damit anrichten. Das war ja ein privater Fall, der nichts mit dem Gewerbe zu tun hat“, sagt Weinwurm.

Der OGH hatte, wie das „Presse“-Rechtspanorama am Montag berichtete, erstmals ein Fotografierverbot verhängt. Bisher galt, dass man ungefragt jeden fotografieren durfte, sofern es sich nur nicht um eine private Situation handelte (etwa in Wohnung oder Garten). Das neue Urteil ermöglicht es aber jetzt grundsätzlich jedem, der fotografiert wurde, auf Unterlassung zu klagen. Das könnte kuriose Folgen haben, erklärte Anwalt Peter Zöchbauer: So dürften Fotos, die laut Gesetz sogar problemlos veröffentlicht werden könnten, nicht mehr geschossen werden.

Die Wiener Innung will sich nun von Anwälten beraten lassen, wie dieses Urteil tatsächlich in der Praxis auszulegen ist. „Es kann ja nicht sein, dass in Zukunft bei einem Gruppenbild 40 Leute nach ihrem Einverständnis gefragt werden müssen“, sagt Weinwurm. Gerhard Sokol, Präsident von Syndikat Foto Film, einer Interessenvertretung für Pressefotografen, versucht seine Mitglieder zu beruhigen. Vorerst. „Man sollte dieses Urteil nicht überbewerten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Richter in Zukunft das Fotografieren verurteilen werden“, sagt Sokol. Dennoch hat der Vorstand eine Sitzung einberufen, um die rechtliche Situation zu klären. Denn eines sei klar: Wenn das Urteil ein Fotografierverbot bedeutet, „dann gibt es sicher Tausende von Anwälten, die darauf warten zu klagen.“

Doch nicht alle stehen dem Urteil negativ gegenüber. Berufsfotografin Lisi Specht etwa, die im vergangenen Jahr mit der Arbeitsgruppe Freie Fotografie die Liberalisierung des Fotografiegewerbes durchgefochten hat, findet es durchaus in Ordnung, wenn sie die Leute nach dem Einverständnis fragen muss. „Für mich hat das etwas mit Respekt zu tun. Ich habe vorher schon bei Reportagen immer gefragt, ob ich fotografieren darf. Das Urteil haut mich nicht um“, sagt sie.

Doch nicht nur die Fotografen, auch die Galeristen zittern. „In der Street Photography geht es darum, die Leute ungestellt zu fotografieren“, sagt Toni Tramezzini, Inhaber der einzigen Galerie ausschließlich für Street Photography in Österreich und selbst Fotograf. „Ich kann ja nachher schlecht sagen: ,Tschuldigung, kannst du die Bewegung noch einmal machen?‘!“ Sein Anwalt hat ihm das OGH-Urteil jedenfalls schon zugeschickt. Jetzt gilt es, einiges zu klären. „Wenn ich die Fotos in der Galerie verbreite, könnte ich mich ja theoretisch auch haftbar machen“, sagt er.

Vielleicht ist aber auch alles halb so schlimm: So meint Anwalt Michael Sommer, dass man sich nicht „allzu viele Sorgen“ machen müsse. Er verweist auf die Interessensabwägung zwischen Fotografierten und Fotografen, die laut OGH vorzunehmen ist. Im Anlassfall habe jemand „zur Belustigung“ und ohne sachlichen Grund Fotos von einer Person gemacht. Daher, so Sommer, habe der Fotograf (ein Hausbesitzer, der einen gegnerischen Anwalt ablichtete) zu Recht vor Gericht verloren.

 

© DiePresse.com

Klicken oder nicht? Fotografen zittern nach Gerichtsurteil

Fotografie: Glück und etwas Ärger, Die Presse 09.02.2013

Fotografie: Glück und etwas Ärger

09.02.2013 | 18:21 | von Eva Winroither (Die Presse)

Die Fotografie ist nun ein nahezu freies Gewerbe. Die meisten sind erleichtert, doch noch immer wird mit derFotografeninnung, Gegner der Liberalisierung, um Einzelfälle gestritten.

Grundsätzlich könnten jetzt alle zufrieden sein. Grundsätzlich haben die, die um mehr Freiheit gekämpft haben, ihre Forderungen erreicht. In einem Zeitraum, der viel kürzer war als erwartet, mit der Schützenhilfe des Wirtschaftsministers, der wiederum erfolgreich war, weil er das Berufsfotografengewerbe in verhältnismäßig kurzer Zeit liberalisieren konnte.

Doch Jochen Graf kann sich darüber noch immer nicht so richtig freuen. Er diskutierte mit dem Gewerbeamt der Stadt Wien und der Berufsfotografie-Innung darüber, ob seine Ausbildung zum Fotografen auch anerkannt wird. Denn seiner Meinung nach müsste sein Antrag nach der neuen Verordnung schon längst genehmigt worden sein. Mitte Oktober 2012 ist das Fotografengewerbe liberalisiert worden. Die Öffnung war für viele schon überfällig. Seit Jahren haben heimische Fotografen geklagt, dass sie in die Illegalität getrieben werden, ihren Beruf selbst nach viel gelobten Projekten, nach lehrreichen Jahren als Assistenten bei renommierten Fotografen nicht offiziell ausüben durften.

Schuld daran war das strenge Gewerberecht. Demnach durfte sich nur jemand Berufsfotograf nennen, der etwa eine Meisterprüfung absolviert hatte, eine einschlägige Ausbildung oder eine Ausnahmegenehmigung, ausgestellt von den Behörden, vorweisen konnte. Alle andere konnten das damals schon freie Gewerbe des Pressefotografen ausüben. Das stark beschränkt war: Werbeshootings, Porträts, Fotos für Firmenmagazine, Hochzeiten, Geschäftsberichte waren dabei verboten. „Das ging so weit, dass der Pressefotograf die Fotos, die er vom Minister gemacht hatte, nicht auch an das Ministerium verkaufen konnte“, sagt Lisi Specht, Berufsfotografin in Wien. Specht ist Gründerin der Arbeitsgruppe Freie Fotografie, die im vergangenen Jahr um die Gesetzesänderung gekämpft hat. Die neue Verordnung wurde schließlich Mitte Oktober 2012 beschlossen, auch weil Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner unabhängig von den öffentlichen Forderungen bereits an einer Novelle gearbeitet hat.

Seither gibt es das freie Gewerbe des „Pressefotografen und Fotodesigners“. Das heißt, diese Fotografen dürfen nun Fotos jeder Art machen, vorausgesetzt, sie verkaufen sie an Geschäftskunden. Die Zusammenarbeit mit privaten Kunden ist allerdings erst nach drei Jahren erlaubt – ein letzter Rest an Widerstand seitens der Innung, die Angst gehabt hat, dass durch die Liberalisierung Qualität und Preise der Fotografie verfallen – besonders im Kerngeschäft der Meisterfotografen bei Hochzeits-, Porträt- und Passfotos. Außerdem wurde vermerkt, dass Fachhochschulen und Akademien mit Fotografie-Schwerpunkt auch als Ausbildungsstätten für den Berufsfotografen – dieser unterliegt keinen Einschränkungen – gelten.

Um jeden wird gekämpft. Dass Jochen Graf also noch immer nicht als Berufsfotograf arbeiten darf, hat damit zu tun, dass er zwar eine Fachhochschule mit Fotografie-Schwerpunkt besucht hat, diese aber mittlerweile den Studienplan geändert hat. „Seither sind zwei meiner Ansuchen um den Berufsfotografen abgelehnt worden“, sagt Graf. Was ihn ziemlich ärgert. Er hat die Fachhochschule noch im alten Studienplan abgeschlossen und damit sogar mehr Stunden an Fotografie-Ausbildung absolviert als Schüler der Graphischen. Die Schule galt schon in der alten Verordnung als anerkannte Ausbildungsstätte.

Und Graf ist nur einer von weiteren Fällen, wo es Ärger gibt. In einem anderen Bundesland wurde etwa das Anbieten von Kugelpanoramafotos auf einer Homepage von der Innung beanstandet. Der Streit konnt erst beigelegt werden, nachdem auf der Homepage explizit vermerkt wurde, dass nicht an private Personen verkauft werde. „Das ist gesetzlich gar nicht vorgesehen und reine Schikane“, sagt der Betroffene, der unerkannt bleiben will.

Umbruchszeit. Der Wiener Innungsmeister Michael Weinwurm verteidigt das Vorgehen der Innung, da man sich an die Gesetze halten müsse. Er bittet aber auch um Verständnis: „Es ist eine Umbruchszeit, in der es manchmal auch Probleme gibt“, sagt er. Den Fall Jochen Graf habe die Wiener Innung mittlerweile sogar positiv beschieden, sagt Weinwurm. Nun muss noch die Genehmigung durch das Gewerbeamt erfolgen. Den befürchtete Qualitätsverlust durch die Liberalisierung hat Weinwurm in Wien jedenfalls noch nicht erlebt. „Das könnte aber noch kommen“, sagt er. Er vergleicht Österreich mit Deutschland, wo das Gewerbe schon länger frei ist. „Die stöhnen jetzt schon unter der fehlenden Qualität und den fallenden Preisen.“

Die Zahl der Fotografen ist in Wien durch die Liberalisierung jedenfalls gestiegen. Rund 120 Neuanmeldungen gab es von Oktober bis Dezember im Vorjahr in Wien. Insgesamt sind es nun 1300 in der Bundeshauptstadt. „Da ist sicher nicht genug Platz für alle“, sagt Weinwurm. In ganz Österreich gibt es 3500 Fotografen. Auch Lisi Specht geht davon aus, dass die Konkurrenz auf dem Markt nun stärker wird. „Das gehört dazu“, sagt sie. Die Fotografenszene in Wien ist jedenfalls ob des neuen Gesetzes sichtlich entspannt. Pressefotograf Sebastian Reich kann etwa endlich seinem Beruf eine neue Richtung geben. Er will sich auf die Werbe- und Unternehmensfotografie konzentrieren. „Ich sehe jetzt alles viel ruhiger, weil die Angst nicht mehr da ist, dass man etwas falsch machen könnte.“

Hallo Firma. Schon davor hatte er das Angebot von größeren Firmenkunden, zu fotografieren, musste aber immer ablehnen. Mit Inkrafttreten der Novelle hat er das Portfolio auf seiner Homepage sofort erweitert. Ein Phänomen, von dem viele in der Branche berichten. „Die, die schon vorher gute Arbeit gemacht haben, trauen sich jetzt endlich, diese zu zeigen“, heißt es immer wieder. Die neue Fotografen argumentieren dabei durchaus selbstbewusst. „Ich kann sicher einiges besser als manche Meisterfotografen, weil die noch in der Bildsprache der 1960er denken“, sagt Reich. Der Hochzeitsfotomarkt ist für ihn übrigens völlig uninteressant. Ebenso für Jochen Graf: Er will im Filmbereich fotografieren. Und dann ist es für ihn auch noch eine Grundsatzfrage: „Wenn ich jetzt schon jahrelang eine Ausbildung gemacht habe, dann will ich, dass anerkannt wird.“

 

© DiePresse.com

Fotografie: Glück und etwas Ärger

Die Fotografen und ihre neue Freiheit, Die Presse 8.6.2013

Die Fotografen und ihre neue Freiheit

08.06.2013 | 18:07 | von Jeannine Hierländer (Die Presse)

Immer mehr Fotografen raufen sich um einen schrumpfenden Auftragskuchen. Seit der Liberalisierung des Gewerbes ist die Schlacht auch offiziell eröffnet. Die meisten nehmen die wachsende Konkurrenz gelassen. Nur die Fotografen-Innung sieht das etwas anders.

Das Berufsbild des Fotografen unterscheidet sich international betrachtet eigentlich recht wenig. Sie fotografieren für Firmen, auf Konzerten und Taufen, einige arbeiten für Zeitungen oder Magazine. Der Unterschied zwischen Österreich und dem Rest der Welt: Hierzulande arbeiteten viele Fotografen bis vor Kurzem illegal. Erst seit Oktober ist „Berufsfotograf“ ein freies Gewerbe, das jeder ausüben darf. Eigentlich. Denn es wäre nicht Österreich, hätte man sich nicht eine Einschränkung behalten: In den ersten drei Jahren dürfen Fotografen nicht für Privatkunden arbeiten. Hochzeiten und Porträts sind in dieser Zeit weiterhin tabu.

Ein Kompromiss, der angesichts der Ausgangssituation jedoch verkraftbar ist: Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hatte die Liberalisierung in Gang gebracht, die Innung der Berufsfotografen war aber strikt dagegen. Vordergründig mit dem Argument, die Qualität gehe flöten, wenn „jeder“ fotografieren dürfe. Ein Grund dürfte aber vor allem sein, dass sich die Berufsfotografen die Konkurrenz vom Leib halten wollten. Der Markt würde von Hobbyknipsern geflutet, die den Profis die „Zuckerln“ wegschnappen würden, hieß es damals von der Innung. Die Folge wäre ein Preisverfall.


Relative Katastrophen. Wie sieht es über ein halbes Jahr später auf dem Markt aus? „Angekündigte Katastrophen sind keine passiert“, sagt der Pressefotograf Jürg Christandl, der die Gewerbereform auch öffentlich unterstützt hat. Wobei „Katastrophe“ relativ ist. „Dass sich der Medienmarkt insgesamt als schwierig darstellt, ist unbestritten“, sagt Christandl, der als angestellter Pressefotograf in einer guten Lage ist. Daher würden Pressefotografen schon länger auf Bereiche ausweichen, „wo noch Geld zu verdienen ist“. Wie etwa auf die Werbung, die immer noch gut bezahlt sei. „Und seit der Liberalisierung dürfen sie das auch.“

Pressefotos durfte nämlich auch schon früher „jeder“ machen, weil die Pressefotografie schon länger ein freies Gewerbe ist. Geschützt war lediglich alles andere. Das ging so weit, dass international renommierte Fotografen wie Mark Glassner, den man unter anderem für seine Arbeiten für die Unterwäschekette Palmers kennt (Frauenbeine in transparenten Strümpfen), in Österreich illegal arbeiten mussten. Nur wer eine Fotografenlehre abgeschlossen hatte oder einen vergleichbaren Nachweis erbringen konnte, durfte Aufträge annehmen.

Für zahlreiche engagierte und oft junge Fotografen eine absurde Situation. Einer von ihnen ist Matthias Hombauer, der für Musikzeitschriften und Plattenfirmen Musiker fotografiert. „Früher durfte man praktisch keine Auftragsarbeit machen. Was natürlich nicht möglich ist, wenn man überleben soll.“ Von mehr Konkurrenzdruck habe er bislang nichts gemerkt, wenngleich er am Wettbewerb nichts Schlechtes findet: „Ich glaube eher, dass sich durch Konkurrenz die Qualität erhöht. Wenn ich mich durch meine Qualität nicht abheben kann, bin ich vielleicht eh im falschen Job.“ Ihn habe bei einem Auftrag noch nie jemand nach seiner Ausbildung gefragt.


Preisdruck. „Dass man das Handwerk beherrscht, setzen die Kunden sowieso voraus. Sie erwarten vor allem kreative Ideen“, sagt der Tiroler Fotograf Rudolf Schwerma. Wer das nicht mitbringe, setze sich ohnehin nicht durch. Schwerma fände es daher gut, wenn das Gewerbe komplett freigegeben würde, ohne jede Einschränkung.

Nicht so die Innung. Landesinnungsmeister Michael Weinwurm sieht die Angelegenheit nach wie vor skeptisch. Seit der Freigabe sei die Zahl der Berufsfotografen in Wien um 30 Prozent gestiegen, bundesweit sei es ähnlich. „Das verursacht natürlich einen gewissen Preisdruck“, so Weinwurm, dessen Fotostudio in der Wiener Neubaugasse von Pass- bis Schulfotos alles anbietet. Vor allem in der Hochzeitsfotografie werde „Preisdumping bis zum Gehtnichtmehr“ betrieben. „Weil einfach zu viele am Markt sind.“

Auch Lisi Specht, die sich mit einer Petition für die Gewerbefreigabe eingesetzt hat, spricht von Preisverfall. Der habe aber nichts mit dem Ende des Berufsschutzes zu tun. „Das ist im Grunde schon vorher passiert.“ Unter anderem wegen technischer Veränderungen, „Knebelverträgen“, billiger Bildagenturen. Wehmütig ist sie nicht, sondern ziemlich erleichtert: Sie selbst habe elf Jahre halb illegal gearbeitet. „Heute können jene, die den Beruf ausüben wollen, das ohne Behinderung durch Gesetze machen.“ Leichter werde es für Fotografen nicht. „Aber das wäre es sowieso nicht geworden.“

 

© DiePresse.com

Die Fotografen und ihre neue Freiheit