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Fotografie: Glück und etwas Ärger, Die Presse 09.02.2013

Fotografie: Glück und etwas Ärger

09.02.2013 | 18:21 | von Eva Winroither (Die Presse)

Die Fotografie ist nun ein nahezu freies Gewerbe. Die meisten sind erleichtert, doch noch immer wird mit derFotografeninnung, Gegner der Liberalisierung, um Einzelfälle gestritten.

Grundsätzlich könnten jetzt alle zufrieden sein. Grundsätzlich haben die, die um mehr Freiheit gekämpft haben, ihre Forderungen erreicht. In einem Zeitraum, der viel kürzer war als erwartet, mit der Schützenhilfe des Wirtschaftsministers, der wiederum erfolgreich war, weil er das Berufsfotografengewerbe in verhältnismäßig kurzer Zeit liberalisieren konnte.

Doch Jochen Graf kann sich darüber noch immer nicht so richtig freuen. Er diskutierte mit dem Gewerbeamt der Stadt Wien und der Berufsfotografie-Innung darüber, ob seine Ausbildung zum Fotografen auch anerkannt wird. Denn seiner Meinung nach müsste sein Antrag nach der neuen Verordnung schon längst genehmigt worden sein. Mitte Oktober 2012 ist das Fotografengewerbe liberalisiert worden. Die Öffnung war für viele schon überfällig. Seit Jahren haben heimische Fotografen geklagt, dass sie in die Illegalität getrieben werden, ihren Beruf selbst nach viel gelobten Projekten, nach lehrreichen Jahren als Assistenten bei renommierten Fotografen nicht offiziell ausüben durften.

Schuld daran war das strenge Gewerberecht. Demnach durfte sich nur jemand Berufsfotograf nennen, der etwa eine Meisterprüfung absolviert hatte, eine einschlägige Ausbildung oder eine Ausnahmegenehmigung, ausgestellt von den Behörden, vorweisen konnte. Alle andere konnten das damals schon freie Gewerbe des Pressefotografen ausüben. Das stark beschränkt war: Werbeshootings, Porträts, Fotos für Firmenmagazine, Hochzeiten, Geschäftsberichte waren dabei verboten. „Das ging so weit, dass der Pressefotograf die Fotos, die er vom Minister gemacht hatte, nicht auch an das Ministerium verkaufen konnte“, sagt Lisi Specht, Berufsfotografin in Wien. Specht ist Gründerin der Arbeitsgruppe Freie Fotografie, die im vergangenen Jahr um die Gesetzesänderung gekämpft hat. Die neue Verordnung wurde schließlich Mitte Oktober 2012 beschlossen, auch weil Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner unabhängig von den öffentlichen Forderungen bereits an einer Novelle gearbeitet hat.

Seither gibt es das freie Gewerbe des „Pressefotografen und Fotodesigners“. Das heißt, diese Fotografen dürfen nun Fotos jeder Art machen, vorausgesetzt, sie verkaufen sie an Geschäftskunden. Die Zusammenarbeit mit privaten Kunden ist allerdings erst nach drei Jahren erlaubt – ein letzter Rest an Widerstand seitens der Innung, die Angst gehabt hat, dass durch die Liberalisierung Qualität und Preise der Fotografie verfallen – besonders im Kerngeschäft der Meisterfotografen bei Hochzeits-, Porträt- und Passfotos. Außerdem wurde vermerkt, dass Fachhochschulen und Akademien mit Fotografie-Schwerpunkt auch als Ausbildungsstätten für den Berufsfotografen – dieser unterliegt keinen Einschränkungen – gelten.

Um jeden wird gekämpft. Dass Jochen Graf also noch immer nicht als Berufsfotograf arbeiten darf, hat damit zu tun, dass er zwar eine Fachhochschule mit Fotografie-Schwerpunkt besucht hat, diese aber mittlerweile den Studienplan geändert hat. „Seither sind zwei meiner Ansuchen um den Berufsfotografen abgelehnt worden“, sagt Graf. Was ihn ziemlich ärgert. Er hat die Fachhochschule noch im alten Studienplan abgeschlossen und damit sogar mehr Stunden an Fotografie-Ausbildung absolviert als Schüler der Graphischen. Die Schule galt schon in der alten Verordnung als anerkannte Ausbildungsstätte.

Und Graf ist nur einer von weiteren Fällen, wo es Ärger gibt. In einem anderen Bundesland wurde etwa das Anbieten von Kugelpanoramafotos auf einer Homepage von der Innung beanstandet. Der Streit konnt erst beigelegt werden, nachdem auf der Homepage explizit vermerkt wurde, dass nicht an private Personen verkauft werde. „Das ist gesetzlich gar nicht vorgesehen und reine Schikane“, sagt der Betroffene, der unerkannt bleiben will.

Umbruchszeit. Der Wiener Innungsmeister Michael Weinwurm verteidigt das Vorgehen der Innung, da man sich an die Gesetze halten müsse. Er bittet aber auch um Verständnis: „Es ist eine Umbruchszeit, in der es manchmal auch Probleme gibt“, sagt er. Den Fall Jochen Graf habe die Wiener Innung mittlerweile sogar positiv beschieden, sagt Weinwurm. Nun muss noch die Genehmigung durch das Gewerbeamt erfolgen. Den befürchtete Qualitätsverlust durch die Liberalisierung hat Weinwurm in Wien jedenfalls noch nicht erlebt. „Das könnte aber noch kommen“, sagt er. Er vergleicht Österreich mit Deutschland, wo das Gewerbe schon länger frei ist. „Die stöhnen jetzt schon unter der fehlenden Qualität und den fallenden Preisen.“

Die Zahl der Fotografen ist in Wien durch die Liberalisierung jedenfalls gestiegen. Rund 120 Neuanmeldungen gab es von Oktober bis Dezember im Vorjahr in Wien. Insgesamt sind es nun 1300 in der Bundeshauptstadt. „Da ist sicher nicht genug Platz für alle“, sagt Weinwurm. In ganz Österreich gibt es 3500 Fotografen. Auch Lisi Specht geht davon aus, dass die Konkurrenz auf dem Markt nun stärker wird. „Das gehört dazu“, sagt sie. Die Fotografenszene in Wien ist jedenfalls ob des neuen Gesetzes sichtlich entspannt. Pressefotograf Sebastian Reich kann etwa endlich seinem Beruf eine neue Richtung geben. Er will sich auf die Werbe- und Unternehmensfotografie konzentrieren. „Ich sehe jetzt alles viel ruhiger, weil die Angst nicht mehr da ist, dass man etwas falsch machen könnte.“

Hallo Firma. Schon davor hatte er das Angebot von größeren Firmenkunden, zu fotografieren, musste aber immer ablehnen. Mit Inkrafttreten der Novelle hat er das Portfolio auf seiner Homepage sofort erweitert. Ein Phänomen, von dem viele in der Branche berichten. „Die, die schon vorher gute Arbeit gemacht haben, trauen sich jetzt endlich, diese zu zeigen“, heißt es immer wieder. Die neue Fotografen argumentieren dabei durchaus selbstbewusst. „Ich kann sicher einiges besser als manche Meisterfotografen, weil die noch in der Bildsprache der 1960er denken“, sagt Reich. Der Hochzeitsfotomarkt ist für ihn übrigens völlig uninteressant. Ebenso für Jochen Graf: Er will im Filmbereich fotografieren. Und dann ist es für ihn auch noch eine Grundsatzfrage: „Wenn ich jetzt schon jahrelang eine Ausbildung gemacht habe, dann will ich, dass anerkannt wird.“

 

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